Freitag, 4. August 2017

Lea-Lina Oppermann - Was wir dachten, was wir taten *Rezension, Lesung und Interview*



Was wir dachten, Was wir taten
Lea-Lina Oppermann

Ein Debüt-Roman über das Leben, auch wenn es manchmal Keines ist


Gelesen: August 2017

Allgemeines

Verlag: Beltz & Gelberg
Erscheinungsdatum: 10.07.2017
Format: Klappenbroschur
Sprache: Deutsch
ISBN: 978-3-407-02567-8
Seiten: 180
Preis: 12,95 € (in Deutschland)
Erhalten: Lese-Exemplar


Cover & Klappentext Beltz & Gelberg


Klappentext:

Amokalarm. Eine maskierte Person dringt ins Klassenzimmer ein und diktiert mit geladener Pistole Aufgaben, die erbarmungslos die Geheimnisse aller an die Oberfläche zerren. Arroganz, Diebstähle, Mitläufertum, Lügen – hinter sorgsam gepflegten Fassaden tun sich persönliche Abgründe auf. Fiona ringt fassungslos mit ihrer Handlungsunfähigkeit, Mark verspürt Genugtuung und Herr Filler schwankt zwischen Aggression und Passivität. Als sie den Angreifer enttarnen, sind die Grenzen der Normalität so weit überschritten, dass es für niemanden mehr ein Zurück gibt.

Nach dem Lesen ist vor dem Lesen? Nicht bei diesem Roman!!!

Bevor ich euch meine Meinung zu diesem Buch mitteile, möchte ich euch die Autorin etwas genauer vorstellen, damit ihr ein Gefühl dafür bekommt, wer dieses Buch geschrieben hat. Wenn man weiß, dass Lea-Lina Oppermann, die eigentlich einfach nur Lina genannt wird, erst 19 Jahre alt ist, dann muss man die Geschichte, die Kritik an der Gesellschaft und das, was der Roman aussagen soll, noch beeindruckender finden, als ohnehin schon. Jedoch haben weder Lina, noch die Geschichte es nötig, dadurch Pluspunkte zu sammeln. 

Lea-Lina Oppermann liest uns die ersten Seiten
aus ihrem Debüt-Roman vor

Am 15.07.2017 durften wir (die Teilnehmer vom Stuttgarter Bücher- und Blubberstammtisch) Lea-Lina Oppermann in einer sehr persönlichen Runde kennenlernen, mit ihr ins Gespräch kommen und alles fragen, was uns interessierte. So fanden wir heraus, dass es auch an ihrer früheren Schule einen Amokalarm gegeben hat. Glücklicherweise ein Fehlalarm. Sie erzählte uns von einer Brieffreundschaft mit ihrem Lieblingsautor und auch einiges darüber, wie sie zu ihrem jetzigen Verlag gekommen ist. Falls ihr nicht dabei ward, könnt ihr gern einen Blick in das folgende Video werfen. Ausschnitte von  dieser Lesung habe ich dort zusammengeschnitten. Außerdem gibt es ein ausführliches Interview, was ich mit Lina nach der Veranstaltung geführt habe. Es war wahnsinnig angenehm, mit ihr über den Dächern von Stuttgart über ihr Buch, ihre Pläne für die Zukunft und ihr Leben als Autorin zu sprechen. Schaut gern mal rein und lasst mir eure Meinung da. 





Ich habe dieses Buch erst im August begonnen, weil ich es nicht Stück für Stück lesen wollte, sondern an einem Stück. Das ist mir auch fast gelungen. Es fällt schon nach wenigen Seiten dem Leser wahnsinnig schwer, das dünne Büchlein aus der Hand zu legen. Dabei war es eine andere Spannung, als die, die sonst in vielen Geschichten zu erleben ist. Der Schreibstil war toll, keine Frage. Die Spannung, die sich aufbaute, baute sich aber aus einer Neugierde auf, die Lea-Lina Oppermann mit ihrem Debüt sehr schnell und eindrücklich erzeugte. Da war auf der einen Seite der verständliche und sehr ehrliche Schreibstil, auf der anderen Seite aber auch ein Thema, was Niemanden kalt lassen kann, was man ergründen möchte, was den Leser interessiert und bei dem man sich sicher sein kann, dass man nach dem Lesen anders denkt, als vor dem Lesen. WAS WIR DACHTEN, WAS WIR TATEN wird der Leser nicht zurück ins Regal stellen, ohne sich zu fragen, was er getan hätte, ohne zu hinterfragen, wie er reagiert hätte.

Wir lernen hier in erster Linie drei Personen kennen, die uns diese Geschichte erzählen. Eine Geschichte, deren Laufzeit 143 Minuten beträgt und die in einem Klassenzimmer spielt. Einem geschlossenen Raum, der verriegelt wurde und aus dem kein Schüler entkommen konnte.

Mark Winter & Fiona Nikolaus sind Schüler in der Klasse, die durch diesen Vorfall direkt betroffen ist. Herr Filler ist ein Lehrer, der noch recht jung ist, bei manchen beliebt, bei anderen eher weniger. Er ist gerade dabei, seine Doktorarbeit zu schreiben, durch die er den Blick für viele Dinge manchmal verliert.

Diese drei erzählen abwechselnd davon, wie sie den Amoklauf erleben, sie berichten von ihren Eindrücken und Gefühlen. Der Leser wird dadurch auch sehr persönlich angesprochen und bekommt ein sehr gutes Gefühl dafür, wie die Dinge ihren Lauf nehmen.

Und gelaufen ist eine Menge. Wie ihr dem Klappentext entnehmen konntet, gibt es eine Person, die mit einigen Aufgaben dafür sorgt, dass die Schüler und auch der Lehrer sich immer wieder fragen, wo das Ganze eigentlich hinführen soll. Teilweise erscheinen die Aufgaben sehr einfach, sehr machbar, teilweise sind sie mit höllischen Schmerzen verbunden oder sogar mit noch Schlimmerem. Die letzte aller Aufgaben sorgt schließlich jedoch dafür, dass alles, was man vorher dachte Nichts zu dem ist, was real ist. Die Grenzen zu dem, was die Schüler für normal hielten, die Grenzen zu dem, was ihr sicheres und geschütztes Leben zusammengehalten hat, werden nicht nur erreicht, sondern sehr weit überschritten. Und am Ende wird ausnahmslos jedes Leben verändert sein. Sofern es für alle noch ein Leben gibt.

Dieses Buch war eines der Bücher, bei dem ich nach dem Lesen auf meinem Balkon saß, in die Wolken geschaut habe und sehr lange überlegt habe, wie ich reagiert hätte, in welcher Rolle ich mich in meiner Schulzeit gesehen habe. War ich Opfer, hätte ich auch Täter sein können? Wäre ich einer der Schüler gewesen? Gebe ich dem Lehrer Recht? Dem Direktor? Oder sollte ich einfach nur froh sein, diese Fragen nie wirklich beantwortet haben zu müssen? Mittlerweile sind seit Zuschlagen der letzten Seite über 24 Stunden vergangen. Eine Antwort habe ich nicht gefunden.

Die Schrift ist groß, die Seiten klein und der Schreibstil ehrlich, offen und sehr gut verständlich. All das sorgt dafür, dass man nur so durch dieses Buch fliegt.

Lea-Lina Oppermann hat ein Debüt hingelegt, was mir noch lange im Kopf bleiben wird und was sehr gute Chancen auf den Status JAHRESHIGHLIGHT hat.

Bleibt die Frage aller Fragen … Wie viele Sterne?!

Das Interview auf dem Dach vom Buchhaus Wittwer
in Stuttgart war mal wieder ein
Highlight!
Und meiner Antwort aller Antworten fällt glatt aus. Sie ist schnörkellos, wie der Stil dieses Debüts. Sie ist unüberlegt und aus dem Bauch heraus. Und sie lautet … fünf Komma null!

Schaut euch dieses Büchlein unbedingt an, wenn ihr eine Geschichte lesen möchtet, die kritisch mit der Gesellschaft ist, die euch zeigt, wie manchmal auch Lehrer über Schüler denken (und umgekehrt), die ehrlich ist und die zeigt, dass nicht alles wahr ist, was so scheint und die manchmal Dinge zum Vorschein bringt, mit denen man so nicht gerechnet hat.

Und sobald ihr sie gelesen habt … lasst mich wissen, wie ihr sie fandet. Und lasst es gern auch Lina wissen. Wie ihr das tun könnt, erfahrt ihr bei INFOS & LINKS

Ihr denkt die Rezi ist zu Ende?
Na ja … noch nicht ganz … Ich möchte noch eine Kleinigkeit los werden.
Und zwar ein herzliches DANKESCHÖN an das Buchhaus Wittwer. Für die tolle und exklusive Lesung, die Möglichkeit Stuttgart von oben zu sehen und natürlich VIELEN DANK auch für ein (mal wieder) sehr tolles Buch, was ihr dem Bücher- und Blubberstammtisch gratis zur Verfügung gestellt habt. Ein Besuch in Stuttgart geht für mich nicht ohne einen Besuch im Wittwer. Und beides lohnt sich doch immer wieder! 

So. Nun ist die Rezi zu Ende und ich wünsche euch noch eine tolle Lesezeit!!!

Infos & Links:




2 Kommentare:

  1. Hallo Martin,

    eine toller Beitrag und ich habe das Buch mittlerweile als Hörbuch gehört und kann deine Meinung nur unterschreiben. Ich habe ich mich nach dem Ende ebenfalls gefragt, wie hätte ich bei verschiedenen Situationen reagiert bzw. gehandelt. Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Auch mit einer Bewertung tue ich mich schwer, tendiere aber zu 4 N. G.

    Wenn ich darf, würde ich deine Rezi gerne in meinem Lesemonat August mit einbinden. Wäre dies für dich ok?

    Liebe Grüße,
    Uwe

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    1. Hallo Uwe,

      das freut mich, dass es dir auch gefallen hat und dass es auch ähnliche Fragen in dir ausgelöst hat. Das ist ein Buch, was sehr nachdenklich stimmen kann.

      Natürlich darfst du gern die Rezi mit einbinden :) Das freut mich immer, wenn sie gut ankommt und auch auf anderen Blogs mit auftaucht.

      Liebe Grüße
      Martin

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